Referenzen

1. Dieser etwas farblose Patient kam vor einigen Jahren mit Kopfschmerzen und dem Wunsch nach einem Schmerzmittelrezept in die Praxis. Ich schlug vor, sich den Schmerzen wirklich zuzuwenden und sie auszuhalten lernen. Er strahlte. „Tolle Idee.“ Schmerzen

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2. Ich füge hier die authentische Bewertung eines Patienten ein, der mich bei JAMEDA – einem Arztbewertungsportal – folgendermaßen beurteilte:

 

Bewertung vom 27.09.2018, gesetzlich versichert, Alter: 30 bis 50

Für einen schnellen Krankenschein bestens geeignet.

Herr Dr. Melzer sucht das Gespräch und stellt viele Fragen. Aufgrund von Beruf und Arbeitstunden fällt er ein Urteil ob Krankheit oder psychische Einbildung. Ich war wegen einer langanhaltenden Erkältung vorstellig und bin mit der Erkenntnis raus überarbeitet zu sein. Eine Untersuchung wie man es kennt, abtasten, abhören in den Hals schauen fand nicht statt und wurde nach Aufforderung verweigert.Nach eingehender Untersuchung durch einen kompetetenten Arzt wurde Nasennebenhöhlenentzündung und Bronchitis festgestellt.Wer ernsthaft krank ist, sollte diesen Arzt auf keinen Fall aufsuchen !“

Notenbewertung dieses Patienten

Behandlung
6,0
Gesamtnote
6,0
Aufklärung
6,0
Vertrauensverhältnis
6,0
Genommene Zeit
6,0
Freundlichkeit
6,0
Wartezeit Praxis
4,0
Betreuung
6,0
Entertainment
6,0

Ich finde die Kritik hilfreich, um über ein verborgenes Problem beim Umgang mit Krankheit nachzudenken.  Vielleicht kann ich hier auch für Andere das Phänomen skizzieren, denn offenbar habe ich dem Patienten mein Vorgehen nicht ausreichend erklärt oder er hat es nicht verstanden.

Bis vor wenigen Jahrzehnten hätten wir bei einem Patienten wie dem Obigen von dem Bild einer Erkältung gesprochen. Einige sagen Infekt dazu. Mehr nicht. Den Erkenntnissen der modernen Verhaltensforschung folgend, sind wir Hausärzte nach unseren wissenschaftlichen Behandlungsleitlinien aufgefordert KEINE Diagnosen zu stellen, sondern mit dem Symptom zu arbeiten. Dies hat einen guten Grund. Jede Diagnose – hier Bronchitis und Nasennebenhöhlenentzündung – kränkt den Betreffenden. Und je differenzierter die Diagnose, um so lieber nimmt der Patient die Einladung an, sich damit zu identifizieren. Es gibt dazu reichlich gute Studien. Der Patient mit Diagnose „Bronchitis“ wird schlechter gesund als der ohne dieses „Labeling“, wie es in der Fachliteratur heißt. Diagnosen sind ein Nocebo – in Analogie zum Placebo also ein Mittel des Arztes, dass schadet. Interessanterweise sind viele heutige Patienten scharf auf Diagnosen. Aus meiner Erfahrung verbinden viele Patienten damit einen Zuwendungs- und Aufmerksamkeitsgewinn, der bei ansonsten unbefriedigenden erschöpfenden Lebensumständen kompensatorisch weiterhilft. Das ist meiner Ansicht nach ein intellektuell unbefriedigender Umweg, der dem diesbezüglich unwissenden Patienten mit unnötiger Diagnostik und Therapie schadet. Daran beteilige ich mich nicht.

Bei einem Patienten, der 2 Wochen mit Husten, Schnupfen und vermutlich Nasennebenhöhlenschmerzen weiter arbeiten geht, braucht es lediglich Ruhe und falls gewünscht Oma`s Hausmittel zur Symptomlinderung, um gesund zu werden. Eine Erkältung – und darunter zähle ich von der leichten Lungenentzündung über Bronchitis; Heiserkeit, Schnupfen, Angina, Bindehautentzündung, Nasennebenhöhlenentzündung bis zur Mittelohrentzündung alles – klingt beim sonst gesunden Mitteleuropäer ohne Behandlung und ohne unser Einmischen als Selbstheilungsprozeß   sehr schön ab. Einen solchen Patienten höre ich nur ab und untersuche ihn, wenn ich intuitiv eine nicht selbstheilende Erkrankung vermute. Das ist – sorry – wie Weihnachten und Ostern zusammen, nämlich selten. Meine Intuition unterstütze ich, indem ich den Patienten persönlich aus dem Wartezimmer abhole, um aus seiner Art sich zu bewegen, den ernsthaft Kranken erkennen zu können. Anschließend erfrage ich Lebensumstände und höre dabei mit verschiedenen Ohren. Eines hört Vitalität.

Eine Untersuchung  von banal Erkrankten dient ausschließlich der letztlich schädigenden Diagnosestellung. Nichts zu tun, braucht allerdings vom Arzt ein Vertrauen in seine Intuition und eine Umgebung, wo Intuition stattfinden kann (Ruhe, kein Rechner am Arbeitsplatz, dauerhafter Blickkontakt zum Patienten) . Patienten benötigen Vertrauen in die Intuition des Arztes und dann die Akzeptanz von vorübergehendem Weh und Leid sowie Geduld mit dem zwischenzeitlich notwendigen Anstrengungsverzicht. Es ist für den Arzt eine zusätzliche psychologische Herausforderung. Denn vom Arzt braucht es den Verzicht auf jegliches Anmeiern an die Kundenbedürfnisse. Und der Verzicht auf jegliche Eitelkeit, mit Budenzauber (z.B. Abhören) Eindruck zu schinden. Dem Patienten mit einer sinnfreien Diagnose (Bronchitis) erst Angst einzujagen und sich im nächsten Moment als Retter vor der selbstgeschaffenen Bedrohung zu produzieren (das Antibiotikum oder der Schleimlöser sind ohne wissenschaftlichen Nutzenbeleg) ist peinlich. Dass dieses Programm fast in allen Arztpraxen, Physiotherapiepraxen und Krankenhäusern so Standard ist, liegt auch an der materiellen Motivation. Sicherheit und Sorgfalt vorgaukelnde Diagnostik und Therapie sind Kundenbindungsprogramme für den modernen hilflosen Patienten.

zu diesem Thema mehr unter Abergläubischer Ratte und Infekte

3. Ich bin Frau M.L. Der Doktor widerspricht sich ständig selbst. Zum einen meint er ich sei unschuldig. Das hört sich gut an. Aber zugleich sei ich für mich selbst verantwortlich. Wie geht denn das zusammen? Am Ende ist der Hautausschlag doch von alleine weggegangen. Ver-antwortung

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