Verantwortung

Ver-antwortung ist nicht die Antwort auf die Frage

Es ist ein herrliches Dilemma. Zum einen die glasklare Gewißheit: Ich bin unschuldig. Ich bin  nicht verantwortlich. Und dann die gleichzeitige Gewißheit, ich lebe mein Leben, es ist in meiner Verantwortung –  also doch. Was denn nun? Es ist ganz fein. Unsere von uns so gedachte Verantwortung, ist die kulturell konditioniert anerzogene Verantwortlichkeit gegenüber dem Über-Ich, der Kultur, dem Gott, den Eltern, dem Anderen, gegen wen auch immer. Diese Verantwortung führt in die Irre. Das Leben birgt in sich ein Streben zur Entfaltung und zum Gelingen, dem nichts zusätzliches aufgepfropft werden muß. Leben ist sich unausgesprochen schon immer selbst verantwortlich. Wir sind uns als Leben schon immer selbstverantwortlich. Für diese lebendige Selbstverantwortlichkeit braucht es nichts zu tun. Diese uns wesentlich eigene lebendige Selbstverantwortung leidet an der dem Verstand angezwungenen Verantwortungsübernahme, es noch besser als das Leben an sich zu machen. Da wird es anstrengend. Anstrengend ist es auch, das Ding mit der Verantwortung auseinanderzufummeln.

Meine angeborene Selbstverantwortlichkeit ist eine von mir nicht zu verantwortende Erfahrung. Dieses Pardox gilt es zu knacken.  Ich kann diese Erfahrung mir nicht selber machen oder von anderen gemacht bekommen. Die Erkenntnis des „ICH BIN“ ist ein individuelles Erkennen des einen universellen Geistes. Alle noch eben mir gehörenden, mir eitel stolz zugerechneten oder schamhaft verschwiegenen peinlichen Gedanken, Bilder und Wahrnehmungen werden als sich stetig wandelnder unpersönlicher Geist erkannt. Die einzige Konstante ist mein Bewußtsein. Ich erlebe Geist. Ich erlebe auch das Erkennen dieses Prozesses. Dieser Prozess ist das Leben. Fließt dieses Erkennen von „ICH BIN“ Bewußtsein in den individuellen Geist ein, beginnt dieser sich verantwortlich für seinen Inhalt zu fühlen. Doch dieses Verantwortlichfühlen ist unpersönlich. Es geschieht mir. Wenn ich es habe, kann ich es nicht zeitgleich nicht haben. Wenn ich es nicht habe, kann ich es nicht herstellen.

Unser herkömmlicher Verantwortungsbegriff zielt jedoch darauf ab, ich könne meine Verantwortung selbst ergreifen und bin im Zirkelschluß auch für mein Verantwortungsgefühl verantwortlich. Solange ich das glaube und nicht die absolute Ausgeliefertheit von mir BEWUSSTSEIN an den SEIENDEN Geist erfahre, lebe ich in Trennung und leide an der Identifikation mit meinem Geist, der sich immer wieder meiner angestrebten und gewünschten Kontrolle entzieht. Erst wenn der, der da etwas zu denken meint – zum Beispiel sich verantwortlich fühlen – bemerkt, selbst nur ein gedachter Gedanke zu sein, der sich im nächsten Moment unbeherrschbar in einen anderen Gedanken verwandelt, dann fällt der Eine mit dem Anderen zusammen, Bewußtsein vermählt sich mit dem Sein und das Leben IST und das fühlt sich entspannt verantwortlich an. In unserem unreflektierten Seinsmodus glaubt ein scheinbar individueller Geist sich selbst verantworten zu können und lebt mit der Anstrengung, sich diese Fähigkeit permanent zu beweisen und mit der Anstrengung, sich sein Scheitern an diesem unsinnigem Auftrag permanent zu verschleiern. Die Vertreibung aus dem Paradies.

 

 

Aus der Zusammenarbeit mit der OYA für deren nächstes Heft ist der nachfolgende Beitrag entstanden:

Ich bin nicht verantwortlich!

Wie bitte? Alle sprechen doch darüber, dass wir mehr Verantwortung für unser Leben und für die Zukunft unserer Enkel übernehmen müssen! Wo kämen wir denn hin, wenn wir das Verantwortlichkeitsdenken aufgäben?

Lasst uns die Frage diskutieren und sie nicht gleich aus Entrüstung ablehnen. Ich stelle hier die uralte These unserer Unschuld neu auf. Noch nie waren wir verantwortlich und werden es nie sein, da wir ein untrennbarer Teil des kosmischen Molekültanzes sind. Die Idee der Verantwortung, die immer so hübsch moralisch und korrekt klingt, führt eben diesen Tanz in die Disharmonie. Das Wort Verantwortung entlarvt schon den Irrtum. Wenn wir unser Tun verantworten, unterstellen wir, dass wir Auskunft geben könnten über die Motive unserer Tat. Wir behaupten, unser Tun begründen zu können.

Dazu ist unser Verstand nicht in der Lage. Er kann zu keinem Zeitpunkt über sich selbst Rechenschaft ablegen. Nach seinem Tun gefragt, reagiert unser Verstand routiniert und zeigt sich scheinbar verantwortlich. Nur was erwarten wir von ihm, das er sagt?

Die Vorsilbe »ver« vor der Antwort ist schon Hinweis, dass auf die Frage keine Antwort erwartbar ist, sondern eine Verantwort. Das Konzept der Verantwortung motiviert unser Denken zu Ausflüchten, zur Selbstlüge und Selbsttäuschung, um der Norm der Verantwortung gerecht zu werden. Verantworten ist das Spiel unseres Egos, um sich als getrennt handlungsfähiges Etwas zu behaupten. Im Zweifel bürdet es sich sogar selbst die Schuldfähigkeitslast auf, um sich seiner Existenz zu vergewissern.

Worauf weist Buddha hin, wenn er sagt »Es gibt keinen Handelnden – nur Handlung«? Ist die Handlung für sich selbst verantwortlich? Ist die Handlung schuldig? Können die Moleküle verkehrt tanzen? Mit der Idee der Verantwortung verfallen wir der Hybris, unser Denken kontrollieren und die Folgen unsere Tuns überblicken zu können. Dieses Konzept hat ausgedient. Es bringt Schwere und Fehlerangst in den sonst ungebundenen, kreativen und lebensfroh tanzenden Geist.